Historie: Zugentgleisung bei Sudmühle 1970
Alle Fotos auf dieser Seite stammen aus dem Archiv Stiftung Eisenbahnmuseum Bochum. Gäbe es diese Fotos nicht, würde auch diese Seite nicht existieren, denn im Archiv der Westfälischen Nachrichten und Online ist dazu nichts zu finden.
Eine Anfrage auf Drehscheibe Online am 11.06.2025 hat bisher weitere Interpretationen geliefert, die ich in den Text eingearbeitet habe, aber noch keinen Hinweis auf genau dieses Ereignis.
Die Bilder enthalten die sparsame Beschreibung "Güterzugentgleisung im Bahnhof Sudmühle". Es wird das Datum "08.12.1970" genannt. Das Datum der Digitalisierung wird es nicht sein ;-), und der Monat Dezember passt zu dem auf den Fotos sichtbaren Zustand der Vegetation und der Kleidung von Personen.
Da ich keine weitere Beschreibung des Vorfalls habe nähere ich mich der Sache quasi forensisch durch Analyse der Bilder. Sie haben auch einen Beitrag? ct at gubms.ctreber.com!
In vermuteter Fahrtrichtung (d.h. nicht auf dem Gegengleis) ganz vorne steht ein geschlossener Güterwagen auf den Gleisen.
Direkt dahinter liegt ein entgleister Flachwagen auf der Seite. Die vordere Achse ist vom Wagen getrennt, die hintere noch am Platz. Die Betonschwellen sind auf der rechten Seite deutlich beschädigt.
Hier der Blick gegen die Fahrtrichtung. Anscheinend liegt noch ein Stahlzylinder (Walze?) im Wagen.
Durch eine größere Lücke von den ersten beiden Wagen getrennt stehen zwei geschlossene Güterwagen stark geneigt im Schotter. Interessanterweise lehnen diese Wagen nach der Innenseite der Kurve. Theorie von User "rh" auf Drehscheibe Online: "Die davor hängenden Wagen im Zug [wurden] wohl ruckartig stark abgebremst. Wenn die Lok den anfahrenden Zug gleichzeitig vorne mit voller Kraft gezogen hat, sind die Wagen dann sogar zur Innenseite des Bogens gekippt und entgleist und der Zug davor ist schließlich auseinandergerissen". Klingt plausibel!
Ein Puffer liegt abgerissen links unten im Bild (erst für ein Handrad gehalten, aber das ist Vollmaterial; die vier Löcher für die Bolzen legen es auch nahe). Die Holzblöcke haben vermutlich mit Arbeiten zur Wiederaufgleisung zu tun.
Zur Beachtung, weil hilfreich bei der Lokalisierung der Szene: Die Masten an der Strecke tragen links die Oberleitung und rechts eine Bahnstromleitung (zwei Isolatoren-Paare). Letztere endet an dem T-förmigen Mast, der über dem Flachwagen im Hintergrund sichtbar ist. Den gibt es heute auch noch.
Im Hintergrund sind in der Mitte die schräg liegenden Güterwagen aus dem vorherigen Bild zu sehen.
Ein geschlossener Güterwagen steht ordentlich und unbeschädigt auf dem linken Gleis. User "TWA" auf Drehscheibe Online meint, es handle sich um den "Gerätewagen des Hilfszugs". Das passt zum Kran in der Ferne auf dem nächsten Bild.
Auf den Flachwagen im Vordergrund haben rohe Kräfte gewirkt. Im Hintergrund ist ein Arbeiter auf dem Mast sichtbar. Die Bahnstromleitung, die dieser auf der rechten Seite trug, liegt vermutlich unten rechts im Bild.
Der stark demolierte Flachwagen entgegen der Fahrrichtung. Hier sieht man ein paar Dinge, die eine Lokalisierung des Geschehens erlauben. Die Unfallstelle liegt in einer weiten zweigleisigen Kurve. Die Wagen sind nach außen die Böschung eines Bahndamms hinuntergestürzt. Im Hintergrund sind Häuser und ein Stellwerk zu sehen. Das Stellwerk wird Sf Sudmühle sein und die Häuser gehören wohl zu Mariendorf. Der Blick des Fotos geht nach also nach Norden. Der Vergleich mit Luftaufnahmen 1968 und 1973 passt gut.
Demnach kam der Zug - in der Annahme, dass er nicht auf dem Gegengleis unterwegs war - aus Sudmühle und ist kurz nach den Weichen gekentert. Die Unfallstelle liegt also ganz zu Beginn der GUB (Güterumgehungsbahn) kurz nach (in Fahrtrichtung des Zuges) dem Bahnhof Sudmühle und nicht im Bahnhof selbst.
Die im Foto linke Schiene scheint etwa auf Höhe der Männer einen Knick zu haben. Die Gleise sind 1970 noch gelascht, wie auf anderen Bildern zu sehen ist; vielleicht hat dort die Verbindung nachgegeben. Weiße Stellen an den Betonschwellen deuten auf eine Beschädigung hin; dazu passen auch die Spuren am Rad.
Das "Seil", das über das Vorderende des Wagens hängt, könnte ein Kabel der (Bahn-)Stromleitung sein, die links der Bahnstrecke verläuft. Auf dem rechten Gleis steht dem Anschein nach ein Kranwagen.
Gleiches Bild wie zwei Bilder zuvor, aus größerer Entfernung. Am Fuß der Böschung und im Wald liegen vermutlich Teile der Ladung.
Anscheinend hat man, im Vordergrund, schon damit begonnen, Schäden an der Strecke zu reparieren.
Noch etwas weiter zurück. Hier sieht man deutlich, dass die Betonschwellen stark beschädigt sind. Ein kompletter Stromleitungsmast liegt im Wald. Die Gleise haben einen Knick.
Der Blick geht nach Südwesten. Rechts sind die beiden Gleise der Strecke Münster - Osnabrück zu sehen, links sieht man das äußere Gleis der Kurve in die GUB.
Zwei massive Stahlzylinder (Walzen für ein Walzwerk?) der Ladung haben sich in den Schotter gebohrt. Was aussieht wie eine Dachrinne (rechts der Mitte) wird zum Schutz der Stellseile der Weichen gehört haben. Diese Seile sind auch dünn im Bild, zwischen den Betonschwellen und den Zylindern, in einer Kurve von links Mitte nach rechts unten.
Mir fällt noch etwas auf, das wieder der schmale hellgraue Gummi-Mantel eines großen Rades aussieht. Wer weiß, wozu das gehört hat!