Die Umgehungsbahn als Brücken-Testgelände

Aus GUB Münster

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Brückenmeßzug des Reichsbahnzentralamtes bei Schweißnahtuntersuchung (Eisenbahnstiftung Joachim Schmidt)

Hier ein schöner und seltener Fund im Bildarchiv der Eisenbahnstiftung Joachim Schmidt.

Der Originaltext (die eingefügten Links sind von mir): "Der Brückenmeßzug des Reichsbahnzentralamtes Berlin bei einer Schweißnahtuntersuchung. Als Zuglok dient eine pr. S 10 (Baureihe 17).

Zitat aus "Die Reichsbahn" (5/1931): "Auch auf dem Gebiet des Eisenbahnbrückenbaues ist die Deutsche Reichsbahn in diesem Jahre zu praktischen Ausführungen geschweißter Stahlbauten übergegangen und hat damit die Führung in der Anwendung des Schweißverfahrens im Eisenbahnbrückenbau übernommen.

Die jetzt in der Hauptbahnstrecke Münster-Osnabrück liegende ganz geschweißte, 10 m weit gestützte Brücke mit vollwandigen Hauptträgern und versenkter Fahrbahn ist die erste und vorläufig einzige geschweißte eigentliche Eisenbahnbrücke der Welt.

Bevor die Brücke in die genannte Hauptstrecke eingebaut wurde, war sie vorübergehend in der noch nicht im Betriebe befindlichen Umgehungsbahn bei Münster aufgestellt worden. Hier wurde sie ganz eingehenden Untersuchungen und Erprobungen unterworfen, um ihre unbedingte Sicherheit für den Eisenbahnbetrieb festzustellen.

Die Brücke wurde Röntgenographischen Untersuchungen, statischen (Dauerbelastung) und dynamischen Versuchen (mit der Schwingungsmaschine) sowie der Betriebsbelastung unterworfen. Alle Versuche verliefen erfolgreich und sie wurde eingebaut.

Andere Bilder, der von der Gutehoffnungshütte gebauten Brücke zeigen, dass sie für die Versuche nur ein wenig über dem Erdboden montiert worden ist. Die seitlich herausschauenden Betonbalken liefen unter der Brücke durch. Auch sind die Widerlager extra für den Versuch gebaut worden. Es war quasi die Erprobung auf der grünen Wiese.

Im Rücken des Fotographen Ihres Bildes stand übrigens die Schwingungsmaschine, die ihre Energie aus einem Wittfeld-Akku bezog." (1931) Foto: RVM"

Dem Bild nach wurde die Brücke testweise im Abschnitt zwischen der Fußgängerbrücke Drachterstraße (das ist die im Bild) und der Brücke Hammerstraße eingebaut. Der Blick geht nach Westen, mit der Fußgängerbrücke prominent im Bild. Der horizontale Zylinder enthält die Röntgenröhre. Die mächtigen Leitungen sind dick isolierte Hochspannungskabel.

Von den temporären Brückenlagern ist heute nichts mehr zu sehen. Es gibt ein paar Betonbrocken an der Strecke, aber wer weiß, woher die stammen.

Direktionen 9.11 Brückenmeßzug RAW Wittenberge - RVM (cutout).jpg

Auschnittsvergrößerung (Eisenbahnstiftung Joachim Schmidt)

Die eher filigrane Brücke im Vordergrund ist die Fußgängerbrücke an der Drachterstraße. Im Hintergrund ist die zweiteilige Fachwerkbrücke in der Vennheide (deutlich sichtbare Stahlkonstruktion) zu erkennen und dahinter die Brücke über die Lüner Strecke und den Kriegerweg zu erahnen.

Der Messzug steht auf einem am schwachen Oberbau erkennbaren Baugleis, das nach Luftbildern von 1930 bis mindestens zur Brücke in der Vennheide reichte. Lage und Verlauf entsprechen damit der Zuführung zur geplanten Verbindungskurve Richtung Lünen.


Die Brücke heute (2023)

Manchmal findet man bei einer Recherche trotz vieler Anläufe gar nichts, manchmal stößt man auf die abenteuerlichsten Dinge und ein Fund führt zum Nächsten. Der Test der Brücke in der GUB ist an sich schon ein Hit. Es geht aber noch weiter!

Eisenbahnbrücke Mussenbach.jpg

Eisenbahnbrücke über den Mussenbach (CT)

Die probeweise verbaute Brücke existiert noch, quasi um die Ecke - bei Müssingen, in die Strecke Münster - Rheda eingebaut. Dabei lag sie zunächst bis vermutlich 1937 in der Bahnstrecke Münster-Hamburg. Wo? Das wissen die Götter. Und vielleicht Sie? Bitte Email an gubms at ctreber.com!


Der Heimatverein Everswinkel, etwas südlich von Müssingen gelegen, hat dazu einen Artikel "Eisenbahnbrücke von 1937".

Zitat: "Eingleisige Eisenbahnbrücke für den Vollbahnbetrieb mit einer Stützweite von 10 m. Der eiserne Überbau ist vollständig geschweißt. Die beiden Hauptträger sind aus je einem Stegblech mit zwei Gurtblechen zusammengesetzt. Die mittleren Hauptträgerteile sind mit zusätzlichen Gurtplatten verstärkt. Die Quer- und Längsträger bestehen aus IPB Eisen. Die Widerlager sind in Ziegelstein mit je einem Betonabschluss ausgeführt."


Eisenbahnbrücke Mussenbach, Detail.jpg

Eisenbahnbrücke über den Mussenbach, Detail (CT)

Hier sind eine Beschriftung und ein paar Schweißnähte zu erkennen. Da ist einmal die im Querschnitt (an der Seite sichtbar) V-förmige Naht im dicken Blech oben (Gurtblech) und dann noch die senkrechten Nähte der Wandung (Stegblech).


Geht die Story noch weiter?

Vielleicht! In der Schrift "40 Jahre Eisenbahndirektion Münster (Westf.)" findet sich ein Bild der Brücke - in die Strecke Münster-Osnabrück eingebaut! Weder aus dem Text noch dem Bild geht hervor, wo.

Zitat: "Ein Ereignis von großer Bedeutung für die Entwicklung des gesamten Eisenbrückenbaues verdient besondere Erwähnung. Es ist der im Jahre 1930 erfolgt Einbau der überhaupt ersten geschweißten Reichsbahnbrücke für Vollbahnbetrieb in eine Hauptbahnstrecke des Bezirks.

Ehe der Überbau endgültig in die Hauptstrecke Münster-Osnabrück eingebaut wurde, war er Gegenstand gründlicher statischer und dynamischer Untersuchungen.

Seit 1930 sind dann noch weitere 5 geschweißte Brücken mit einem Gesamtgewicht von rund 300t Stahl 37 im Direktionsbezirk eingebaut worden."

Auf dem Bild zum Text ist die Brücke zu sehen. Da die Strecke zweigleisig ist hatte sie möglicherweise einen "Zwilling", und das Foto sieht ganz danach aus.

Wem dem so ist, was ist dann aus der zweiten Brücke geworden? März 2024 bin ich die Strecke Münster-Rheda abgeradelt. Nach Google Earth schienen 2-3 Brücken westlich von Clarholz mögliche Kandidaten zu sein. Auflösung: Dem ist nicht so; alles Nieten im wahrsten Sinne des Wortes, denn diese Brücken sind genietet.


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