Historie: Die Verbindungskurve Güterbahnhof-Kanal ("Ortsgüterkurve")
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Luftbilder von 1930/ 1935 (VKMS)
Streckenverlauf
Die Verbindungskurve vom Güterbahnhof Münster zum Betriebsbahnhof Kanal ("Ortsgüterkurve") unterquerte die nördlichen Gleise und auch die Verbindungskurve Kanal-Hammer Strecke und überquerte als drittes, nördlichstes Gleis der südlichen Kanalbrücke den Dortmund-Ems-Kanal (dort belädt übrigens ein Bagger die Loren einer Feldbahn links daneben). Die Kanalerweiterung, in der Rahmen die Brücke erneuert werden musste, erfolgt allerdings erst in den späten 1960ern.
Das Bild zeigt eine Zusammenstellung aus Luftbildern von 1930 (nördlicher Teil, VKMS) und 1935 (südlicher Teil; VKMS) sowie Google Earth Satellitenbildern der Gegenwart.
Nebenbei: Wie man sieht hatte der Kanal 1930 einen deutlich stärkeren Knick als heute - die Kurve wurde noch mal größerem Radius und etwas weiter östlich ausgeführt. Aus dem Knick ist nördlich der heutigen B51 ein kleiner Hafen für die Verladung von Sand und Kies geworden, und südlich der B51 eine Anliegestelle für "den Stop am Abend oder Wochenende".
Die Ortsgüterkurve beginnt auf der Ostseite des Güterbahnhofs Münster und ist schon bald nach Überquerung des damaligen Königswegs (heutige B51) in die Landschaft eingesenkt.
Die Strecke unterquerte die Siemenstraße dort, wo sich heute das Gelände des Eisenbahnsportvereins (nördlich der Straße) und der Münster Cardinals (südlich der Straße) befinden.
Ab hier liegt die Strecke in einem langem, tiefen Einschnitt (der "Kutschenschlucht" in der schönen Kindheitserinnerung von Herrn Erwin Schröder samt Karte - unbedingt mal reinklicken!). Diesen Einschnitt auszuheben und der Bau von fünf Brücken bezeugen, dass die Ortsgüterkurve beileibe keine temporäre notdürftige Lösung war, sondern ein aufwändiges, permanentes Bauwerk.
Den nördlichen Teil der Ortsgüterkurve gibt es auch noch heute - er führt zu (und endet an) der ehemaligen Containeranlage, deren Gleise bis knapp nördlich der Einfahrt des Eisenbahnsportvereins reichen (ca. 100m nördlich der Siemensstraße).
Im weiteren Verlauf näherte sich die Ortsgüterkurve der Strecke Münster-Hamm recht dicht an, ohne mit dieser verbunden gewesen zu sein.
Die Verbindungskurve unterquerte schließlich den Geister Landweg , das Nordgleis der GUB , die Verbindungskurve nach Hamm und führte über den nördlichen Teil der südlichen Kanalbrücke .
Die Kanalbrücken wurden in den letzten Tagen des Krieges von den Deutschen gesprengt. Nach Kriegsende wurde nur die südliche Brücke wieder aufgebaut, und diese auch nur zweigleisig.
Die Kurve war anscheinend nicht voll ausgebaut aber befahrbar und wurde im Krieg genutzt, wenn das Nordende des Hauptbahnhofs unpassierbar war.
Genauer betrachtet
Dargestellt ist hier die Situation 1935 (Bonus: Ein Zug auf dem Weg nach MÜnster). Über die beiden Schieber lässt sich das Bild von ca. 2020 darüberlegen oder das 3D Geländeprofil.
1935 (VKMS) heute (Google Earth)
1935 (VKMS) heute (3D; TIM-Online)
Besonders spannend finde ich das Spiel mit dem unteren Schieber, mit dem sich der Bauzustand von damals mit dem "vegetationsbefreiten" Zustand von heute gut vergleichen lässt. Es lohnt sich also, die Schieber immer wieder mal hin- und herzubewegen, einzeln und in Kombination.
Auf der Südseite der Dämme gab es einige Entwässerungsgräben , die heute noch erhalten sind. Ein Graben führte unter der Ortsgüterkurve hindurch.
Auch dieses Merkmal mit seinen gemauerten Ein- und Auslässen ist noch vorhanden (Foto).
Knapp nördlich des Umspannwerks steht ein Mast der anscheinend gebaut worden ist, bevor man das Gelände nördlich der Nordgleises wieder komplett aufgeschüttet hat (nebenbei: hier hatte man nicht nur die Gleise eingesenkt, sondern ein größeres Areal vertieft).
Der Mast steht nämlich heute etwas kurios in einer mindestens mannshohen Vertiefung (Foto).
Kurz bevor die Ortsgüterkurve in die GUB einschwenkt sieht man einen großen Bombenkrater in der 3D-Darstellung. Von diesem Krater ist im nächsten Abschnitt "Stahl im Wald" die Rede.
Stahl im Wald: Überbleibsel der Ortsgüterkurve
Im Gebiet der Verbindungskurven am Lechtenberg befinden sich einige Brachen, auf denen Bäume, Sträucher und Gestrüpp stehen. Diese bilden teilweise im Sommer einen dichten Verhau. Ich bin nun schon öfters durch die Brombeeren geturnt, aber erst 2019 fiel mir etwas auf, was ich bisher übersehen hatte - ein einsamer kleiner Gleisrest der "Ortsgüterkurve"!
Der Bombenkrater ist ein ordentliches Exemplar, das immer mit Wasser gefüllt ist. Die Schienen führen ganz knapp nördlich daran vorbei, enden aber kurz vor dem Krater - "da könnte ein Zusammenhang bestehen".
Auf Luftbildern der Alliierten vom 23.03.1945 (NCAP) ist die Ortsgüterkurve im Bereich Lechtenberg unbeschädigt, also wurde sie in den letzten Kriegsmonaten später noch getroffen.
Siehe da, ein Stück Stahl mitten im Wald (Krater links hinten im Bild)! Beim ersten Vorübergehen hatte ich gar nicht gesehen, dass die Schiene Gesellschaft hatte, aber Gleise treten bevorzugt paarweise auf; so auch hier.
Das Gleisstück ist insgesamt vielleicht 10m lang. Die Schienen liegen am Südost-Ende offen und sind sonst größtenteils etwas mit Waldboden überdeckt.
Walzmarken habe ich nicht gesehen - die Schienen liegen erstens zu einem guten Teil im Boden und zweites sind sie ziemlich verwittert.
An der Außenseite werden die Schienen durch eine fixe "Kralle" der Stahlschwelle gehalten (Vordergrund).
Auf der Innenseite sind die Schienen mit einem losen Stahlstück und einer Schraube befestigt (Hintergrund).
Ich nehme mal an, dass das für Baugleise typisch war - nichts mords-Stabiles, aber relativ schnell zu lösen und zu befestigen. Ganz schon breit, die Schwelle - da steht links und rechts reichlich Material über.
Anscheinend war die Ortsgüterkurve auf feinen Schotter gebettet. Ist das schon Split? "Normaler Schotter" ist jedenfalls deutlich grober. Der Baum auf dem Foto ist durch diese Schotterschicht hindurchgewachsen. Links lehnt, nicht gut zu erkennen, eine Schraubenmutter "in Bahngröße" am Baum.
Der Schotterschicht begegnet man immer wieder wenn man dem alten Verlauf weiter bis zur GUB folgt. Die Kurve ist nicht vor dem Kanal in die GUB eingemündet sondern hat ihn auf einer separaten eingleisigen Brücke überquert - der "nördlichen Süd-Brücke", Brücke Nr. 69 (siehe Historie: Die Kanalbrücken).
Schlüsse
Ein Vergleich des Höhenprofils von Heute und der Luftbilder von 1935 zeigt: Die vorgefundenen Gleise gehörten mit großer Sicherheit zur Verbindungskurve zwischen Güterbahnhof und Bahnhof Kanal, der "Ortsgüterkurve". Position und Richtung passen perfekt. Das schmächtige Gleisprofil und die magere Bettung lassen vermuten, dass die Verbindung nur provisorisch angelegt war.
Ich bin der Ortsgüterkurve vom Containerterminal, dem heutigen Ende der Gleise, bis zur GUB gefolgt, so weit das die heutige Bebauung zulässt. Ich denke, das hier ist die einzige Stelle, an denen noch etwas von den Gleisen übrig ist, nicht zuletzt deshalb, weil der Einschnitt, in dem sie lagen, zugeschüttet und bebaut worden ist.
Hat damals vielleicht der große Bombenkrater einen Abtransport des Abschnitts verhindert, auf den ich gestoßen bin? Das wird sich wohl nicht mehr ermitteln lassen.
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